Schon länger beschäftigt mich die Frage wie es mir wohl ergehen wird, wenn ich in 30, 40 oder sogar 50 Jahren zu den (ganz) Alten gehöre. Natürlich kann etwas dazwischen kommen und mein Leben endet früher als geplant. Wenn es aber doch gut geht, werde ich sicherlich Hilfe benötigen und jemanden brauchen, der auf mich aufpasst. So jemanden wie Linda zum Beispiel.
Linda ist das “Roboterkind” eines Projektes, an dem englische, österreichische, deutsche und schwedische Wissenschaftler beteiligt sind. Unter dem sperrigen Namen “STRANDS – Spatio-Temporal Representations and Activities for Cognitive Control in Long-Term Scenarios” haben die Forscher diesen Roboter entwickelt, dessen Aufgabe es ist, ungewöhnliche Ereignisse im Altenheim zu erkennen und die menschlichen Kollegen zu informieren. Was Linda hier tun soll ist gar nicht so einfach – jedenfalls nicht für einen Roboter.
Es ist ein Unterschied, ob ein Roboter die immer gleiche Aufgabe am immer gleichen Platz innerhalb eines geschützten Bereiches ausführt, oder ob er erkennen soll, dass irgendwas mit oder wegen Menschen schief läuft. Die große Herausforderung besteht darin, Linda beizubringen bestimmte und von der Norm abweichende Situationen zu erkennen und zu interpretieren. Schläft der Opa in seinem Ohrensessel nur ein bisschen oder ist er schon tot? Verlässt da gerade eine demente Heimbewohnerin das Pflegeheim oder ist das die Nachtschwester, die nur mal schnell eine Zigarette rauchen will?
Linda soll erkennen können ob ein Fenster auf ist was vorher geschlossen war oder ob Möbel verrückt wurden, seit sie das letzte Mal vorbeigeschaut hat. Mit dieser Fähigkeit kann sie Alarm schlagen, falls irgendein Dunkelmann versucht die alten Leutchen um ihr bisschen Habe zu bringen. Linda könnte auch andere Sektoren in der Dienstleistungsbranche, wie z. B. den Objektschutz, ohne weiteres bedienen.
Was Linda so besonders macht ist ihre Programmierung. Die Forscher brachten ihr bei zu lernen Erfahrungen zu machen, diese zu verstehen und durch sie klüger zu werden, egal in welchem Umfeld sie sich bewegt. Einmal zusammen geschraubt, soll sie nur selten Input von ihren menschlichen Eltern bekommen.
Ich mag Linda jetzt schon. Ihre Figur sieht aus wie mein Salzstreuer und sie hat eine herrliche Gloriole aus blauen LED´s. Am besten aber gefällt mir ihr grenzdebiler Schlafzimmerblick. Irgendwie scheint sie mich damit anzulächeln.
Pfff….
Ist das wirklich nur ein freundliches Lächeln? Oder nicht doch ein diabolisches Grinsen, was ein paar verrückte Forscher ihrem “Baby” mitgegeben haben? Wie viele Arbeitsplätze wird Linda verdrängen, so einfach industriell reproduzierbar wie sie nun mal ist? Klar, die Wissenschaftler beeilen sich zu beteuern, dass Linda das menschliche Personal nur unterstützen und nicht verdrängen soll. Aber kann ich das glauben? Selbst wenn die Erfinder es ehrlich meinen, irgendwann wird Linda zum Produkt. Und dann greifen ganz andere Mechanismen.
Nicht nur in Pflege- und Altenheimen würde Linda die Lohnkosten extrem drücken, auch in Supermärkten, Lagerhallen und auf Parkplätzen könnte Linda aufpassen. Ganze Heerscharen von ohnehin schon schlecht bezahlten Wachleuten würden freigesetzt arbeitslos werden – was höchstens den Vorteil hätte, dass all diese Menschen dann endlich mal Zeit hätten gründlich über das Bedingungslose Grundeinkommen nachdenken (und dafür zu revoltieren).
Und überhaupt: Könnte ich noch ich sein, wenn Linda in meiner Nähe ist? Versperrt sie mir den Weg, wenn ich nicht mache was sie mir sagt? Was, wenn mich Linda überwacht, statt über mich zu wachen? Wie sollte ich denn merken, wenn die NSA eine Hintertür in Lindas Hard- oder Software hätte? Ich weiß es nicht. Aber weiß was ich machte, würde sie in mein Recht auf Selbstbestimmung eingreifen (wozu auch gehört, dass ich sie aus dem Zimmer schicken kann).
Ich würde ihr mit meinem Krückstock den digitalen Schädel einschlagen.
